Was so los war in letzter Zeit…. Gemischtes aus dem nicaraguanischen Alltag

In den letzten Wochen war immer viel los. Ich will euch einfach, völlig ungeordnet ein paar Eindrücke und Erlebnisse mitteilen. Vermutlich wird das einer der letzten richtigen Blogeinträge über meinen Alltag hier, denn in vier Wochen ist meine Zeit in San Miguelito schon vorbei. Sämtliche Reiseberichte, die ich noch überarbeiten muss, folgen noch. Im April und Mai war ich schon wieder ein bisschen reiselustig, ich habe ein Wochenende auf den Künstlerinseln „Solentiname“ im Nicaraguasee verbracht und über den Maifeiertag war ich nochmal auf Ometepe, wo ich meinen 6. Vulkan bestiegen habe. Ausführliche Berichte dazu gibt es irgendwann. Im Juni geht es zum krönenden Abschluss auf die Karibikinsel „Corn Islands“ und nach Costa Rica. Ab 2. Juli habt ihr mich wieder!!! Aber nun zu meine Alltagserlebnissen:

Kinder, Kinder

Mittlerweile fühle ich mich schon sehr heimisch, einige Leute im Dorf kennen mich und ich werde freundlich gegrüßt. Kinder, die mich noch nicht kennen und im Dorf sehen sind oft ziemlich neugierig, wenn ich als Weiße unterwegs bin. Teilweise sind sie dann sehr schüchtern, wenn ich sie beachte und teilweise haben sie auch gar keine Hemmung, z.B. hat sich ein Junge mal längere Zeit hinter mich gestellt, um in den Laptop schauen zu können, als ich vor dem Haus im Schaukelstuhl saß. Außerdem haben mich ein paar Mädels gefragt, ob ich ein Foto von ihnen mache.

Immer wieder erstaunt mich, wie sich die Kinder in der Schule über bestimmte Dinge freuen, die neu oder nicht alltäglich für sie sind. Beispielsweise habe ich neulich das Regal für die Schulbücher ausgeräumt und Zettel hingeklebt, wo welche Bücher hinsollen. Mit Feuereifer sind die Kinder seitdem dabei, dass jedes Buch am richtigen Platz. Den meisten Kindern hier sind Brettspiele vollkommen fremd und sie freuen sich sehr zu spielen, aber es erfordert auch ziemlich Energie sie in die Regeln eines Gesellschaftspiels (der Reihe nach, Umgang mit dem Würfel etc.) einzuführen. Und nach wie vor sind die Kinder hin und weg, wenn sie Sachen (aus-)malen, schneiden oder kleben dürfen. Die 5. Klässler waren hellauf begeistert, als sie zwei Blätter zusammen tackern durften.

Bastelarbeit, die den Kinder riesige Freude bereit hat

Bastelarbeit, die den Kinder riesige Freude bereit hat

Aufstehen

Ich gewöhne mich langsam an die vielen Geräusche am Morgen. Eigentlich dachte ich ja, dass ich in Nicaragua mal lerne in der Früh aus dem Bett zu kommen, da ich mich in Deutschland immer so quäle. In der ersten Zeit bin ich in der Früh auch meistens vor 7 selber aufgewacht, weil der Hahn gekräht hat, der Bus gehupt, schon irgendjemand Musik gehört hat oder unser Papagei „Lorita“, der übrigens schon „Verena“ sagen kann, angefangen hat zu plappern. Aber mittlerweile habe ich mich an all das so sehr gewöhnt, dass ich vom Wecker geweckt werde und wieder schwer aufstehe.

Lehrerleben

Letzte Woche habe ich rausgefunden, dass meine Schulleiterin in ihrem Haus noch einen kleinen Klamottenladen hat (ich hab mir eine Jeans gekauft). Außerdem arbeitet sie auch noch samstags in einem Dorf (kriegt pro Tag ca. 30 Euro dafür), um das Studium ihres Sohnes zu finanzieren. Es ist schon sehr traurig, dass man mit einem Job als Lehrer hier nicht überleben kann…. Die Lehrer, die beim Staat angestellt sind, müssen jetzt an den Wochenenden auch immer Fortbildungen besuchen, was ja eigentlich gut ist. Bezahlt werden sie aber für den Sonntag, den sie dafür opfern nicht. Ein Beispiel: Zwei Englischlehrer aus San Miguelito müssen jetzt jeden Sonntag nach Juigalpa für die Fortbildung fahren, das sind 3 Stunden mit dem Bus (einfach!!).

Vor zwei Wochen war ich mal bei einer Lehrerversammlung dabei. Dort treffen sich alle Lehrer aus der „Municipio“, also der Gemeinde, um den Unterricht für den nächsten Monat zu planen. Der Unterricht fällt an diesem Tag dann aus. Ich habe erst in der Früh am Tag der Versammlung davon erfahren und meine Schulleiterin am Nachmittag vorher. Erstaunlich ist, wie schnell sich dann doch im Dorf rumspricht, dass kein Unterricht ist, denn fast keine Kinder kamen in den Kindergarten. Leider war die Versammlung unendlich langweilig,  da nur festgelegt wurden, was im nächsten Monat im Unterricht gemacht wird. D.h. es wurde kurz besprochen, bis zu welcher Seite im Lehrplan man kommen will. Dies hätte vielleicht 30 Minuten gedauert, aber da einige Lehrerinnen mehrere Seiten des Lehrplans abgeschrieben haben, war die Versammlung schließlich nach 3,5!! Stunden vorbei. Sehr interessant war, dass alle Lehrer während der Versammlung ihre jährliche, kostenlose Tetanusimpfung erhalten haben. Dazu haben zwei Mitarbeiter des Gesundheitszentrums die Kleingruppen abgeklappert und so und die Lehrer geimpft (Spritze in die Schulter wie bekannt, ohne Handschuhe oder so). Jeder hat dann noch eine Impfkarte bekommen. Ich hätte auch eine Impfung bekommen, habe aber dankend abgelehnt.

Miss Humedales und hora nicaragüense (nicaraguanische Zeit)

Zum 1. Geburtstag veranstaltete der regionale Radiosender „Radio Humedales“ (Radio Feuchtgebiete) ein kleines Fest mit Miss-Wahl. Am Nachmittag wurde im Pfarrsaal die kleine „Miss Humedales“ von San Miguelito gewählt und am Abend in der Sporthalle die Große. Bei der Misswahl am Nachmittag sollte auch die Tanzgruppe aus der Schule als Einlage auftreten und das wollte ich unbedingt sehen. Ich habe mich dann mit den Tanzmädels um 2 Uhr (da war normalerweise der Beginn der Veranstaltung angesetzt!) in der Schule getroffen. Wir sind zu der andere Lehrerin zum Schminken gegangen und dann zum Pfarrsaal. Gegen halb 3 kam mit uns gerade die Musikgruppe an. Wir haben gewartet und gewartet bis nach 3 Uhr die Durchsage kam, dass es Probleme mit der Technik gibt (die sie begonnen haben gegen halb 3 aufzubauen). Um 4 Uhr begann dann die Veranstaltung und erstaunlicherweise sind nur wenige Leute wieder nach Hause gegangen, was mit eigentlich nicht gewundert hätte, weil es im April in der Nachmittagshitze keinen Spaß macht 2 Stunden in einem Raum voller Leute zu warten. Aber das ist hora nicaragüense!!! Ich hab den Mädels noch beim Umziehen geholfen und die Veranstaltung war echt nett. Die Kandidaten haben drei verschiedene Outfits präsentiert, es gab eine Einlage der Musikschule, die ein Flötenstück gespielt haben und traditionellen Tanz, darunter die Gruppe meiner Schule.

Warten auf den Auftritt

Warten auf den Auftritt

Auftritt der Folkloretanzgruppe meiner Schule

Auftritt der Folkloretanzgruppe meiner Schule

 

 

Am Abend sollte die Veranstaltung eigentlich um 6 Uhr beginnen, in weiser Voraussicht bin ich erst um 8 Uhr hin. Aber auch dann war noch kein Einlass. Ich wollte kein zweites Mal Warten und bin nochmal nach Hause. Auf dem erneuten Hinweg hab ich noch mit einem Bekannten ein Bier getrunken und gegen 9 Uhr ertönte dann die Nationalhymne – die wird zu Beginn bei allen offiziellen Veranstaltungen gesungen. Das Licht war etwas schlecht und die Kandidaten bewegten sich weit nicht so elegant wie die kleinen Mädels am Nachmittag. Was ich jedoch richtig amüsant fand war, dass hier in Nicaragua die Mädchen und Frauen alle in T-Shirt und kurzer Hose baden aber bei der Misswahl in derart anzüglichen Kostümen und Badeoutfits auftraten. Vor allem die Tänzerinnen der Band waren unglaublich knapp angezogen. Verrückte Welt!

English Night

Emily, eine der Freiwilligen der Peace Corps, die für die Unterstützung der Englischlehrer der San Miguelito und Umgebung zuständig ist, hatte die Idee sich einen Abend in der Woche zum Englischsprechen zu treffen. Die meisten nicaraguanischen Englischlehrer sprechen nämlich schlechter als ein deutscher Abiturient, sodass ein bisschen Üben nicht schadet. Ich und die andere Amerikanerin Christina wollten auch mitmachen, um Gespräche anzuleiten und natürlich Leute kennenzulernen. Der Termin war um 6 Uhr angesetzt und ich bin pünktlich hin und war schon ziemlich gespannt, wann die anderen so kommen, den in Nicaragua spielt Pünktlichkeit eben keine so große Rolle. Tatsächlich trudelten die meisten jedoch um kurz nach 6 ein und Emily hatte jede Menge Spiele und so weiter vorbereitet, dass die Zeit wie im Flug verging. Hat wirklich super Spaß gemacht. Seit drei Wochen findet die English Night jetzt immer donnerstags statt und ist wirklich eine gute Sache. Die Leute sind auch sehr nett und die meisten sind zwischen 20 und 30, also in meinem Alter. Ich bin mir sicher, dass sich dort einige Freundschaften entwickeln könnten, wenn ich noch länger hier wäre.

Chajules und das Wetter

Nun noch zu meiner negativsten Erfahrung, seit ich in Nicaragua bin. Als ich am 2. Mai mitten in der Nacht mit dem Schiff von Ometepe zurückgekommen bin war ich ziemlich irritiert. Als ich ins Haus kam waren überall, v.a. im Waschbecken, tote Mücken geklebt und als ich das Licht in meinem Zimmer angemacht habe sah ich, dass der ganze Fußboden ebenfalls mit toten Mücken übersät war und vor allem im Licht und auch sonst schwirrten hunderte dieser Insekten in meinem Zimmer. Ich hab mich dann schnell unter meinem Moskitonetz verkrochen und geschlafen. Einige haben die Nacht mit mir unter dem Moskitonetz verbracht, aber zum Glück stechen die nicht. Am nächsten Tag hat mir Frieda dann erzählt, dass das Chayules, eine Art Eintagsfliegen sind, die v.a. im April und Mai, aber auch in den Regenmonaten nach San Miguelito kommen, wenn ein Südwind bläst. Im Süden liegen nämlich die großen Feuchtgebiete. Wie lang sie dann bleiben hängt mit dem Mond und mit dem Regen zusammen. Unter Umständen kann es schon 4 Wochen dauern bis die Plage wieder verschwindet. Und eine Plage ist das wirklich, denn überall sind diese Eintagsfliegen – im Essen, in der Luft, an den Klamotten. Sie sterben schnell und übersähen dann den Fußboden und kleben an Wänden und Decken. Außerdem riechen sie ein bisschen wie (toter) Fisch, wenn sie verrotten. Die Nachbarstadt San Carlos hatte wohl in früheren Zeiten fast das ganze Jahr mit den Viechern leben müssen. Mir hat schon der eine Tag gereicht! Wir hatten nämlich Glück und es kam ein richtig kräftiges Gewitter und die Chajules sind im Regen versunken. Frieda hat nur scherzhaft gemeint, dass sie nur gekommen sind, damit ich weiß, was Chajules sind und wie sich das anfühlt. Die Tage danach waren wir dann mit Putzen beschäftigt, weil überall die toten Fliegen klebten. Jedenfalls hat das wunderbare tropische Klima, von dem in Deutschland immer alle träumen, auch seine Schattenseiten.

Ansonsten ist das Klima gerade echt toll. Untertags ist es nicht mehr ganz so heiß und abends kann man in kurzen Klamotten draußen sitzen, ohne dass man gleich wieder in Schweiß gebadet ist. Richtig herrlich! Bald beginnt dann die „richtige“ Regenzeit…

Transport und Sicherheit

Vor zwei Wochen hat sich auf der neuen, wenig befahrenen Landstraße in der Nähe von San Miguelito ein furchtbarer Unfall ereignet, der das ganze Dorf geschockt hat und auch in den landesweiten Nachrichten war. Hier in Nicaragua ist es sehr üblich, dass auf der Ladefläche von kleinen LKWs Leute mitgenommen werden. Ein solcher Lastwagen mit mehr als 30 Personen ist von einer Orangenplantage, auf der die Mitfahrer als Orangenpflücker gearbeitet haben, auf dem Heimweg gewesen. Der Fahrer war wohl betrunken, hat sich mit einem anderen Fahrzeug eine Rennen geliefert und sich mehrfach überschlagen. Die Leute auf der Ladefläche waren natürlich vollkommen ausgeliefert, sechs Personen sind sofort gestorben und Weitere im Krankenhaus. Eine alleinerziehende Mutter, zufällig die Cousine von der Köchin bei Frieda, hat ihre 6 Kinder zurückgelassen. Die Familie muss nun schauen wie sich zurechtkommt, Waisenrenten oder sonstige Unterstützung vom Staat gibt es nicht. Ich werde einen kleinen Teil der Spendengelder an diese Familie geben.

Spendengeldeinsatz

Noch eine Nachricht an alle Spender. Ich kann euer Geld hier wirklich gut gebrauchen. Nach wie vor bereite ich viele robuste Materialien vor, die die Schüler auch in Zukunft nutzen können. Außerdem haben wir ein paar Möbel beim örtlichen Schreiner für die Schule in Auftrag gegeben, die teilweise schon fertig sind. Vielen Dank nochmal an alle Spender!

Stühle vor der Reparatur

Stühle vor der Reparatur

Stühle nach der Reparatur

Stühle nach der Reparatur

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