(Mein) Lehrerleben in Nicaragua und Kuriositäten aus dem Schulalltag

Nun bin ich also schon seit fast 4 Wochen hier und als „Profe“ Verena tätig. Mir kommt es wirklich so vor als wäre ich schon viel länger da, dies liegt wohl auch daran, dass ich mich wirklich wohlfühle und viel zu tun habe. Mein Spanisch macht langsame Fortschritte.

Ja, wie ist das Lehrerleben so in Nicaragua? In ein paar Sätzen zusammengefasst: viel, viel Arbeit, viele Kinder, wenig Lohn! Die Lehrerinnen an meiner Schule arbeiten alle von ca. 8 Uhr früh bis 5 Uhr abends. Eine der Frauen ist vormittags Direktorin in einer Sekundarschule und unterrichtet mehrere Nachmittage in meiner Schule. Wenn man dann gegen halb 6 von der Arbeit kommt, dann vielleicht noch Waschen (in Nicaragua üblicherweise Handwäsche), Kochen, Kinder versorgen muss, bleibt natürlich auch keine Zeit mehr aufwendigen Unterricht und Materialien vorzubereiten. Die Lehrer orientieren sich deshalb stark an den Schulbüchern des Ministeriums und da an meiner Schule ein Lehrer in der Regel zwei Klassen gleichzeitig unterrichtet, kriegen die Kinder häufig einen Arbeitsauftrag aus dem Buch und arbeiten (mehr oder weniger abgelenkt) selbstständig. Diejenigen, die früher fertig sind langweilen sich und werden laut, während sich die Lehrkraft um die andere Gruppe kümmern muss. In meiner Schule ist die Schülerzahl überschaubar, ein Lehrer unterrichtet ungefähr die gleiche Anzahl von Schülern wie in Deutschland. Ausnahme ist die Vorschule. Ohne mich würde dort eine Pädagogin bis zu 27 Kinder beaufsichtigen.

In den öffentlichen Schulen sind wohl bis zu 40 Kinder in einer Klasse, die Schwachen bleiben da auf der Strecke. Dies ist ein Grund, warum meine Schule von einigen sehr schwachen Schülern besucht wird, deren Eltern sich einen Schulplatz (ca. 100 US-Dollar im Jahr) leisten können. In einigen Schulen scheint es wohl noch vorzukommen, dass Kinder mit dem Lineal geschlagen werden. Ich wüsste nicht, wie ich das verkraften könnte, wenn ich an so einer Schule gelandet wäre. Die Lehrerinnen an meiner Schule geben sich alle viel Mühe, mit den Mitteln und der Zeit die ihnen zur Verfügung steht, bestmöglichen Unterricht zu gestalten. Es freut mich sehr, dass einige Ideen, die ich eingebracht habe, ziemlich zügig umgesetzt wurden. Außerdem werden mir meine Materialien, die ich vorbereite, dankend abgenommen.

Deshalb jetzt mal zu meinem Lehreralltag und meinen Aufgaben hier:

Während ich die erste Woche noch sehr viel beobachtet habe, habe ich mittlerweile schon einige Aufgaben übernommen. Da die Schule von meinem Aufenthalt möglichst langfristig profitieren soll, habe ich mich dazu entschieden, mir Freiräume zu schaffen, um alle meine Unterrichtsvorhaben sorgfältig mit Materialien vorzubereiten und diese Sammlung der Schule am Ende zur Verfügung zu stellen. Deshalb bleibe ich zwei Vormittage in der Woche daheim und bastel fleißig. Irgendwie brauche ich immer ewig, weil ich ja alles auf Spanisch übersetzen muss. Ich gebe derzeit dreimal in der Woche Computerkurs für die älteren Schüler (ein örtliches Fortbildungszentrum, das von einer spanischen Organisation eingerichtet wurde, hat einen Computerraum). Außerdem unterrichte ich Englisch und Kunst in der 3. und 4. Klassen und mache Bastelangebote für die Kindergartenkinder. Die restliche Zeit in der Schule unterstütze ich die Lehrkräfte und vor allem die Schüler mit Schwierigkeiten. Auch hier versuche ich immer wieder (sonderpädagogische) Materialien, Tricks und Tipps zur Verfügung zu stellen, damit das Lernen besser gelingt.

Meistens falle ich abends voll mit neuen Wörtern und Eindrücken, aber auch ziemlich glücklich, dass mein Start hier so gut geklappt hat und die Kinder und Lehrer mich akzeptieren und respektieren, in mein Bett. Es gibt viel zu tun und es ist und bleibt spannend. Und eins hat sich wieder bestätigt: Ich möchte keinen anderen Beruf! Und ich bin froh, dass ich in Deutschland Lehrerin sein darf! Denn trotz dem, dass das Gejammer oft groß ist, geht es uns daheim wirklich gut. Hier ist es oft schon ein Problem etwas Papier zum Basteln zu kaufen oder Arbeitsblätter zu kopieren. Danke an dieser Stelle an alle Spender, die es mir ermöglichen, diese kleinen Dinge problemlos zu besorgen.

Einige Kuriositäten:

  • Die Lehrerinnen tragen sehr häufig ein Partei-T-Shirt von den Sandinisten (derzeit regierende Partei, die in der Region, in der ich lebe, großen Zuspruch findet), in Deutschland unvorstellbar.
  • In Nicaragua legt man sehr viel Wert auf gepflegtes Auftreten. Da der Boden natürlich auch dreckiger ist als in Deutschland (weil alles offen ist und drinnen und draußen ineinander übergehen), ist es ziemlich verpönt, dass die Kinder sich zum Spielen auf den Boden setzen. Ich drück da manchmal schon ein Auge zu ;-).

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