Rund um das Thema Wasser in Nicaragua gibt es viel zu erzählen, deshalb ein eigener Artikel. Dieser Artikel soll auch zeigen, dass sauberes, frisches, fließendes Wasser, wie wir es in Deutschland gewöhnt sind, nicht selbstverständlich ist. „¿Hay agua?“  ist Spanisch und bedeutet „Gibt es Wasser?“.  Diesen Satz fällt hier ständig und auch ich selbst benutze ihn mindestens zweimal täglich. In San Miguelito, aber auch in vielen, vielen anderen nicaraguanischen Städten und Dörfern ist es in der Trockenzeit nämlich überhaupt nicht selbstverständlich, dass es durchgehend fließendes Wasser gibt und so richtet man seine Tätigkeiten danach aus. Wenn ich z.B. mittags von der Schule komme frage ich  „¿Hay agua?“. Ist das Wasser gerade wieder für 2 Stunden da, springe ich vor dem Mittagessen noch schnell unter die Dusche. Um 5 oder 6 Uhr morgens wird dann die Waschmaschine angeschmissen, weil es dann Wasser gibt. Frieda hat mir die Situation in San Miguelito so erklärt, dass logischerweise der Grundwasserspiegel im Laufe der Trockenzeit stark sinkt. Der Druck in den Wasserrohren reicht also nicht mehr aus, um das Wasser in alle Haushalte zu transportieren. So werden unterschiedliche Haupthähne zugedreht und die unterschiedlichen Teile des Dorfes werden zu unterschiedlichen Zeiten mit fließendem Wasser versorgt. Die Leute sorgen natürlich vor, indem sie in den Zeiten, in denen es Wasser gibt, dieses in Behältern speichern. Bei meiner Gastfamilie steht unter anderem ein großer Plastikbottich mit Deckel in der Dusche, aus dem dann Wasser für duschen, spülen, putzen geschöpft wird. Trinkwasser wird in Kanister abgefüllt.

In San Miguelito ist das Leitungswasser sehr sauber, sodass man es ohne Weiteres trinken kann. Viele Orte haben dieses Glück nicht, z.B. ist das Leitungswasser auf Solentiname gerade gut genug zum Kochen. Trinkwasser kaufen kostet natürlich viel Geld. Wer sich das nicht leisten kann, muss zwangsläufig unsauberes Wasser trinken, was der Gesundheit schadet. Allerdings ist es längst nicht selbstverständlich, dass man überhaupt fließendes Wasser hat. Viele Leute müssen ihr Wasser täglich vom Brunnen holen. In der nicaraguanischen Zeitung habe ich neulich einen interessanten Artikel gelesen, indem es um ein Dorf ohne Wasserversorgung ging. In diesem Dorf lebt ein altes Ehepaar, dass nicht mehr selber Wasser vom Brunnen holen kann und deshalb dafür zahlen muss, dass man ihnen das Wasser bringt. Ein teurer Spaß, denn sie sich kaum leisten können. Hier zeigt sich sehr deutlich, dass Armut hier ganz andere Dimensionen hat….

Ein weiteres wichtiges Thema ist das Abwassersystem, dass in modernen Formen nur in manchen größeren Städten existent ist. In San Miguelito fließt das Wasser aus dem Klo, wenn man eines besitzt, in eine Sickergrube im Garten. Viele oder sogar die meisten Familien haben aber gar kein Badezimmer im Haus, sondern eine Latrine und eine Dusche im Hinterhof. Die Latrine ist ein kleines Blechhäuschen und die Dusche besteht meist aus vier Pfosten, die mit Plastikfolie umspannt sind. Mit einem Eimer Wasser duscht man sich dann. Spül-, Dusch-, und Waschwasser fließt entweder in den Hinterhof oder Garten und versickert dort oder wird auf die Straße geleitet, wo es über kleine Abflussrinnen (keine im Boden verlegte Rohre, sondern offene Rinnen!) ungeklärt in den See fließt. Übrigens wirft man in ganz Nicaragua das Klopapier in den Mülleimer, vermutlich weil sonst Rohre verstopfen usw. Um teures Leitungswasser zu sparen wird außerdem auch häufig in Seen oder Flüssen die Kleidung gewaschen (in Nicaragua wird größtenteils von Hand gewaschen). Dazu gibt es in San Miguelito kleine Waschhäuser im Uferbereich, damit man seine Arbeit nicht in der prallen Sonne verrichten muss. Aus all diesem Gründen ist der Nicaraguasee an vielen Stellen stark verschmutzt. Der Managuasee, in den jahrelang die Abwässer der Hauptstadt geleitet wurden, ist so stark vergiftet, dass es dort keine Fische mehr gibt. Ein großangelegtes Reinigungsprogramm ist in Gang, aber dauert wohl noch einige Jahre. Da wirkt es schon ein bisschen lächerlich, dass wir aus Deutschland das ökologisch abbaubare Duschgel mitgebracht haben, wo hier alle Waschmittelreste ungeklärt in Gewässer fließen….

Man kann nur hoffen, dass sich hier bald etwas tut, denn Wasser ist schließlich Leben, Lebensqualität und lebensnotwendig!!!